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Mittwoch, 21. Juni 2017

Luigi Malerba: Der Protagonist (1973)

Catull besang ihn in seinen mentula carmina, Goethe nannte ihn „Meister Iste“ und bei Gerhard Zwerenz taucht der „Kleine Herr“ sogar im Buchtitel auf; aber dass er gleich, wie bei Luigi Malerba, zum Protagonisten eines ganzen Romans erkoren wird, dürfte wohl eine einmalige Angelegenheit sein. Selbst der "Penismonolog" von Blumfeld kann das nicht toppen. Auf die pennälerhafte Idee muss man auch erst einmal kommen, ein membrum virile nicht nur zum Hauptdarsteller einer Geschichte, sondern erst noch zum Erzähler zu wählen.

Der Protagonist, von dem hier die Rede ist, gehört zum „Boss“ - so nennt er seinen stolzen Besitzer, dessen sexuelle Abenteuer er kommentiert und berichtet. Der Boss ist Funkamateur und lässt ab und zu schon mal den Protagonisten als Antenne über den Dächern Roms ausfahren, derweil vorbeieilende Nonnen entstetzt das Kreuz schlagen müssen. Der Boss funkt, um junge „Fräulein“ zu finden, die er in seine Wohnung (die „Höhle“) locken will, um dort in ihren „Garten“ zu dringen. Mit Elisabella hat er schließlich Glück, sie lässt sich auf ein solches Schäferstündchen ein und wartet nur darauf, dass die geladene "Pistole" des Bosses endlich, wie er ständig in Aussicht stellt, zum "Schuss" gelangt.

Doch da zeigt sich die Misere hinter dem ostentativen Geprotze des Bosses: Er schafft es nicht, den Protagonisten zu seiner zugedachten Rolle zu verhelfen. Dieser rühmt sich zwar, nicht unbescheiden, als das aristotelische „Bewegende Organon“ zu gelten - doch beim Boss bewegt sich leider gar nichts, zumindest nicht in Gegenwart von Elisabella. Der Grund liegt, wie sich allmählich zeigt, in in den seltsam abnormen, ja abartigen Neigungen des Bosses. Dass es ihm mitunter gefällt, den Protagonisten in einen warmen Heizkörper zu stecken, mag noch angehen. Dass er dasselbe Verlangen aber auch bei öffentlichen Reiterdenkmälern, einer Mumie und – horribile dictu – einem toten Walfisch verspürt, ist an Perversion kaum zu überbieten.

Malerba scheint mit seinem dritten Roman tatsächlich die Grenzen des guten Geschmacks mehr als nur ausloten zu wollen. Man kann den Roman auch als Neuinterpretation der menippischen Satire verstehen, welche durch einer Verschiebung bzw. Verfremdung der Perspektive eine groteske Realität entwirft. Die Perspektive des Protagonisten ist naturgemäß diejenige von unten. Sie nimmt die angebliche Gewohnheit vieler Männer auf, mit ihrem besten Stück zu sprechen, es zu individualisieren und Namen zu geben. Hier ergreift dieser treue Begleiter tatsächlich einmal das Wort und liefert damit das Porträt eines Mannes, der nicht mit dem Kopf, sondern eben mit seinem Unterleib denkt. Zugleich wird aber auch deutlich, wer oft hinter einem solchen Protagonisten steckt: ein veritabler Schlappschwanz nämlich.