In diesem Roman gibt sich Freuds gesamte Trieblehre ungehemmt ihr feucht-fröhliches Stelldichein, vom Ödipus-Komplex bis zu den sexuellen Neurosen. Geschildert wird eine Welt, in der sich jeder unmittelbar seine Befriedigung sucht. Das muss auch Candy erfahren, eine zwar bildhübsche, aber reichlich blauäugige Studentin, die einer rückständigen Romantik nachhängt. Sie idealisiert und vergöttert Männer und neigt zu einem devoten Verhalten, das auch ihre Sexualität bestimmt: "Sich hingeben", so schreibt sie in ihrer Seminararbeit über "Die Liebe in unserer Zeit", sei "nicht bloss eine von überholtem Aberglauben diktierte Pflicht, sondern ein erhebendes und erregendes Vorrecht." Und mit dieser Überzeugung gibt sie sich bereitwillig hin, wo Triebstau und sexuelle Not am Mann ist. Sie opfert sich quasi für einen guten Zweck. Doch wird ihr Idealismus jedes Mal herb enttäuscht, wenn sie bemerkt, wie wenig die Männer ihre romantischen Phantasien teilen und sie viel eher als williges Sexobjekt betrachten. Vollends ad absurdum getrieben (im wahrsten Sinne des Wortes) wird es am Ende bei der Sekte der "Knaller", wo Candy durch einen Yogi unter dem Vorwand, sie auf die spirituelle Ebene zu führen, penetriert wird, "nicht als Lustobjekt, sondern als Manifestation geistigen Fortschritts". Was hier aufgrund der Verkehrung der Gegensätze komisch wirken soll, ist eigentlich nicht zum Lachen, sondern war, wie wir heute wissen, in der Baghwan-Sekte bittere Realität.
Der Plot bezieht sich lose auf zwei Prätexte: Zum einen auf Marquis de Sade, der seine Justine als Personifikation von Unschuld und Rechtschaffenheit auf einen harten Leidensweg schickt, auf dem sie sich fortlaufend unfreiwillig hergeben muss. Das unterscheidet sie von Candy, die zum anderen an Voltaires Candide orientiert ist. Der Namen Candy markiert eine Art Schwundform von Candide. Voltaire entwarf diese Figur, um die These des Philosophen Leibniz über die beste aller möglichen Welten der Lächerlichkeit preiszugeben. Dazu erfand er die Figur des Candide, die im naiven Glauben an diese Prämisse durch die Welt schreitet und dabei stets nur das Gegenteil erlebt. Sein Idealismus wird im Verlauf der Geschichte ebenso hart auf die Probe gestellt wie Candys Unschuld. Während sich Candide aber am Schluss resigniert aus der Welt zurückzieht und seinen sprichwörtlich gewordenen Garten pflegt, begeht Candy auf der Suche nach transzendentaler Erleuchtung unbemerkt Inzest mit ihrem Vater, obschon sie noch kurz zuvor beteuert, dass sie nicht anders könne als begehrt zu werden - "ausgenommen von Daddy!" So endet der Roman abrupt mit einer Anagnorisis-Szene, welche die letzte Desillusionierung für Candy bereithält: Dass nicht einmal das Inzest-Verbot dem männlichen Begierde Einhalt gebietet. Ob Lehrer, Ärzte, Geistliche, ja sogar der leibliche Vater, sie alle sind nur scharf auf Candys "poussierliches Pünzelchen".
Das Buch erschien ursprünglich unter dem Pseudonym Maxwell Kenton in der Olympia Press, die für schlüpfrige Texte, aber auch den Vertrieb von gewagter Avantgarde-Literatur bekannt war. Candy versucht beides zu sein: Pornographie und Parodie. Und es gelingt doch nicht richtig. So vielversprechend die Idee ist, der Witz will nicht immer zünden. Die Masche ist allzu rasch durchschaubar und die Umsetzung grösstenteils plump oder nur fad. Es reicht einfach nicht, ein paar schräge Szenen (Sex im Spital, Sex mit einem Buckligen) oder serienweise Umschreibungen für das weibliche Geschlechtsorgan als "kleine Zuckerdose", "Gewürzbüchschen", "Pelztörtchen", "Honigtöpfchen", "Liebesmuschel", "Erdbeerkörbchen" oder "süsses Marzipanschneckchen" aufzutischen. Dabei wäre Terry Southern ein Mann von Fach, ein renommierter Drehbuchautor, der unter anderen für Stanley Kubrick die Nazi-Groteske Dr. Strangelove schrieb und das Skript für Easy Rider mitverfasste. Beides zwei überaus erfolgreiche Filme. Auch Candy selber wurde 1968 verfilmt, trotz beachtlichem Staraufgebot (Marlon Brando, Walter Matthau, Ringo Starr) reichlich erfolglos. Die pornographischen Sequenzen sind lediglich angedeutet, so dass allein der relativ dünne Plot übrigbleibt. So fehlt dem Film gerade, was allenfalls den Reiz des Roman ausmacht: der demonstrative Tabubruch, der von Vulgärsprache bis hin zum finalen Inzest zwischen Vater und Tochter reicht. Damit bleibt er seiner Zeit verhaftet, denn provokant wirkt das heute alles nicht mehr, eher allzu pennälerhaft.