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Mittwoch, 5. April 2017

Georges Manolescu: Gescheitert (1905)

Diese Memoiren des rumänischen Gentleman-Verbrechers und Hochstaplers Georges Manolescu haben Thomas Mann zu seinem Roman Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull inspiriert. Manolescu schildert mit Lakonie und entwaffnendem Ehrgefühl seine Karriere als Betrüger. Wie bei allen Hochstaplern so sind auch Manolescus Betrügereien bloß Mittel zum Zweck. Sein designiertes Ziel ist der soziale Aufstieg in die bessere Gesellschaft. Umsetzen will er diesen „Wunsch nach Luxus und Glanz“ durch eine reiche Heirat, wozu er sich aber erst ein Startkapital erwirtschaften muss. Bevor er als Heiratsschwindler in Erscheinung treten kann, betätigt er sich zunächst als Juweliers- und Hoteldieb quer durch Europa, um „endlich die spröde Fortuna in [s]eine Arme zu schließen“. Auch im Casino versucht er sein Glück mehrmals, verliert dort aber sein Geld schneller, als er es sich durch weitere krumme Touren wieder beschaffen kann.

Ohnehin ist der Betrüger öfters auch der Betrogene. Er wird von Frauen hintergangen und landet für kurze Zeit mehrfach im Gefängnis. Zuletzt wird er von der Polizei bei einer Großfahndung geschnappt und zu einem langjährigen Strafaufenthalt verdonnert. Er versucht durch simulierten Wahnsinn dem Kerker zu entgehen, gerät dabei aber vom Regen in die Traufe, nämlich in die geschlossene Berliner Irrenanstalt Herzberge, aus der es angeblich kein Entrinnen gibt. Manolescu – der seit seiner „zartesten Jugend“ das Wort „unmöglich“ aus seinem „Wörterbuch“ gestrichen hat – gelingt jedoch die Flucht aus der Anstalt, begeht seinen letzten Coup in Dresden, um sich mit der Beute über die Landesgrenze in Freiheit zu setzen. Über diverse Umwege trifft er schließlich in New York ein, wo er sich mit ehrlicher Arbeit eine neue Existenz aufbaut.

Manolescu erzählt keine Erfolgsgeschichte, sondern den sukzessiven Niedergang seiner Hochstapelei – trotz erheblichem Geschick in List und Trug. Das erklärt den Titel „Gescheitert“ und macht Manolescu als Antihelden sympathisch. Er agiert nicht aus Schadenfreude oder Niedertracht betrügerisch, sondern weil sich in der modernen Gesellschaft genug blauäugige Bauernopfer finden. Sein Motto lautet: „Mundus vult decipi, oder deutsch: Die Dummen werden nicht alle.“ Die Welt will betrogen sein – so lautete bereits die Maxime im barocken Schelmenroman Die drei ärgsten Erznarren (1672) von Christian Weise. Tatsächlich besitzt der Hochstapler mit der Frivolität, wie er sich über soziale Konventionen hinwegsetzt, gewisse Charakterzüge des Pikaro. Er ist schlau, gewandt und weiß sich zu seinem Vorteil in der Welt zu behaupten. Insofern ist er auch eine sozialkritische Figur, weil er durch seine trügerische Mimikry den falschen Schein der Gesellschaft entlarvt.

Der eigentliche Witz dieser Memoiren besteht aber darin, dass sie nur bedingt der Wahrheit entsprechen. Vielmehr setzt Manolescu seine Hochstapelei auch als Autor fort. Ja mehr noch: Er bescheinigt sich eine Genialität als Langfinger und sozialer Blender, die er in Tat und Wahrheit gar nicht besaß. Wie der Kriminalpsychologe Erich Wulffen nachgeprüft hat, war Manolescu ein höchst mittelmäßiger Scharlatan, der kein besonderes Renommee besaß. Den Ruf des genialen Meisterdiebs erschrieb er sich also förmlich bzw. erschwindelte sie mit den Mitteln der Literatur. Erst durch die in Deutschland äußerst erfolgreiche Buchpublikation wurde er zu dem „Jahrhunderthochstapler“, als der er heute noch bekannt ist. Dabei hatte sein Verleger, der den auf Französisch diktierten Text rasch und relativ frei auf Deutsch übersetzen ließ, ein hohes kommerzielles Interesse an den Memoiren, die gut dem damaligen Publikumsinteresse nach dem Typus des Edelverbrechers (wie Raffles in England oder Arsène Lupin in Frankreich) entsprachen. Der Verkaufserfolg gab ihm recht und verschaffte Manolescu, so paradox es klingen mag, eine bloß angetäuschte Karriere als Hochstapler.