Nach Poor Things, welches das Lesefrüchtchen eben gelesen hat, gleich noch eine Frankenstein-Geschichte. Ist auch bei Alasdair Gray das künstlich generierte Geschöpf sowohl weiblich wie auch mit einer ordentlichen Libido ausgestattet, so gilt das in diesem Fall erst recht, denn es handelt sich um eine veritable Porno-Variante.
Das Buch erschien in der von Kultverleger Jörg Schröder geführten Olympia Press in Deutschland. Während der von Maurice Girodias ursprünglich gegründete Verlag neben erotischer Literatur (Geschichte der O., Fanny Hill) unter dem dezenten Deckmantel olivfarbener Umschläge heute längst kanonisierte Werke von Henry Miller, Nabokov, Beckett oder Burroughs verlegte, setzte Schröder vorwiegend auf ein pornographisches Programm, das sich unter dem liberalen '68er Spirit gut verkaufte und so
ökonomisch die Titel im ambitionierteren März-Verlag querfinanzieren konnte.
Eines der Bücher, das dort – nun nicht mehr im unauffällig olivgrünen
Tarnumschlag, sondern mit der Signalfarbe eines knalligen Pink – erschienen
ist, war Frankenstein ‘69 eines gewissen Ed Martin, über den das
Lesefrüchtchen nichts herausfinden konnte. Wohl handelt es sich um ein
Pseudonym.
Der Titel Frankenstein ’69 (auf Englisch
reimt er sich: …stein …nine) spielt einerseits auf das Erscheinungsjahr 1969
an, andererseits natürlich auf die Sex-Stellung 69. Offenbar ist der Roman
mittlerweile auch als eBook erhältlich, und zwar mit dem Untertitel: «Die
Paarung der Meerjungfrauen mit unersättlichen Sex-Robotern». Damit ist die
Handlung des Buches eigentlich schon perfekt zusammengefasst: Ein verrückter
Wissenschaftler kreiert in seinem Labor drei lebendige Sexpuppen, während seine
nymphomane Frau es hinter seinem Rücken pausenlos mit anderen treibt und zur Erfüllung
ihrer schier unersättlichen Lust sich gleichfalls drei männliche Sex-Roboter mit riesigen, stahlharten
Schwengeln fabriziert, einer davon sogar verkehrtherum, mit dem Skrotum nach oben montiert, was zu ganz neuen Stimulationspraktiken führt.
Und da tummeln sich tatsächlich auch noch notgeile Wassernixen, die am liebsten Penisse mitsamt den
Hoden mit ihren Vulven verschlingen. Wie sich ein Koitus mit einem schwanzbeflossten und
ausserdem auch genital amphibischen Meerwesen anfühlen muss, gehört zum Originellsten,
was diese Pornoparodie zu bieten hat. Die Handlung ist, wie in jedem Porno,
ohnehin sekundär bis irrelevant, was die Erzählung auch dadurch parodistisch
zum Ausdruck bringt, dass selbst längere Passagen im exakt gleichen Wortlaut
wiederholt werden, um mit Augenzwinkern die Repetivität und Austauschbarkeit dieser Art von Storytelling zu signalisieren. Zugleich entsteht dadurch beim Lesen ein nahezu
surrealer Déjà-lu-Effekt, der vielleicht etwas vom halluzinogenen Sixties-Flair vermitteln soll.