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Samstag, 4. März 2017

Thomas Mann: Tristan (1903)

Diese Erzählung gehört mit zu den bekanntesten von Thomas Mann; eine ausführliche Inhaltsangabe erübrigt sich deshalb. Das Lesefrüchtchen möchte nur auf eine grossartige Szene inmitten der zentralen Passage hinweisen, die der Erzählung ihren Titel verleiht: als der Dichter Detlev Spinell und die anämische Klöterjahn am Klavier des Sanatoriums Einfried gemeinsam das „Sehnsuchtsmotiv“ aus Richard Wagners Tristan und Isolde anstimmen. Die gegenseitige Zuneigung, die sie sich nicht offen eingestehen können, findet ihren Ausdruck sublimiert im Medium der Musik, und zwar auf solch leidenschaftliche Weise, als würde ein ganzes Orchester mit ihnen erklingen.

Mitten im erhabensten Moment jedoch, geschieht etwas gänzlich Unerwartetes. Es öffnet sich die Tür und die marode Pastorin Höhlenrauch schlurft durch den dunklen Raum. Leise und unheimlich, ein Schreckgespenst, eine Todesbotin und Schicksalsgöttin. Denn in der Kranken, „die neunzehn Kinder zur Welt gebracht hatte und keines Gedankens mehr fähig war“, erkennt die Klöterjahn ihr eigenes trauriges Los. Auch sie hat eine postnatale Auszehrung ins Sanatorium gebracht, während ihr neugeborener Sohn, ganz zur Freude des Vaters, vor Vitalität nur so strotzt.

Der exzentrische Spinell insinuiert seiner Angebeteten zudem, dass letztlich auch die Ehe mit dem unsensiblen Unternehmer Klöterjahn an ihrem bedauernswerten Zustand schuld sei, der ihr Talent und ihre musische Ader vollkommen erstickt habe. Spinell geht letztlich so weit, dass er Klöterjahn in einem Brief offen vorwirft, seine Frau, die erhabene "Todesschönheit", zu Unrecht für profane eheliche Pflichten missbraucht zu haben. Darauf folgt der lustigste Teil der Erzählung: Wie Klöterjahn, fassungslos vor Wut, den Dichterling verbal zusammenstaucht, der es feigerweise wagte, ihn auf diese niederträchtige Art zu beleidigen.

Bester Spruch: "ich habe das Herz auf dem rechten Fleck, während sie das Ihre wohl meistens in den Hosen haben". Köstlich!