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Freitag, 31. März 2017

Penelope Ashe: Nackt kam die Fremde (1960)

Hinter dem Pseudonym Penelope Ashe verbirgt sich ein Autorenkollektiv von 24 Journalisten, die auf die Initiative der beiden Berufskollegen Harvey Aronson und Mike McGrady gemeinsam den Nachweis erbringen wollten, dass sich Schundromane besonders gut verkaufen. Deshalb schrieben sie eine Art Fifty Shades of Grey avant la lettre: ein schlechtes Buch mit viel Expliziterotik. Bloß ist dieser Versuch nur halbwegs gelungen. Nicht dass der Roman kein Erfolg gewesen wäre, im Gegenteil; nur ist er keineswegs so unterirdisch mies, sondern zeugt – unbesehen der intendierten Trivialität – von hoher literarischer Könnerschaft. Jedenfalls ist es nicht so, dass der Roman (wie es am Schluss selbstbezüglich heißt) die „ganze Literatur umgebracht“ hätte. Man merkt dem Text fast in jeder Zeile die Intelligenz seiner Verfasser an, die sie offenbar nicht gänzlich wegstecken konnten: Der Text besticht durch Witz, cleveres Storytelling, psychologisch plausible Figurenzeichnung, typisch gut erfasste Charaktere, Sprach- und Situationskomik und natürlich Pennälerhumor am Laufmeter. Trotz oder gerade wegen der ostentativen Überbietung des guten Geschmacks offeriert der Roman für ironisch geschulte Leser ein wahres Lektürevergnügen. Man merkt: Die Autoren kennen den Menschen und seine niederen Beweggründe bestens.

Im Zentrum der Handlung steht Gillian Blake, die zusammen mit ihrem Mann William Blake seit acht Jahren erfolgreich eine Radioshow moderiert, in der sie beide als makelloses Vorzeigepaar figurieren. Nur leider entdeckt Gillian eines Tages, dass William fremdgeht, worauf sie beschließt, es nicht bloß ihrem Gatten, sondern gleich der gesamten Männerwelt heimzuzahlen, nicht ohne dabei selbst auf ihre Kosten zu kommen. Und so zerstört sie die Ehen in der Nachbarschaft ihres Wohnortes King's Neck, indem sie die Männer unterschiedslos der Reihe nach verführt, vernascht und schließlich auch moralisch vernichtet. Sie treibt es nicht nur mit jedem, sondern treibt auch jeden entweder in den Ruin, den Wahnsinn oder in den vorzeitigen Tod. Gillian ist mehr als nur eine Femme fatale, der die Herren der Schöpfung bedingungslos erliegen, sie erweist sich auch als Vagina dentata, die ihre Sexualpartner nachgerade entmannt. Den Schriftststeller, der ihr als letztes Opfer in die Fänge geht, schreibt noch: „Macbeth hat seinen Rivalen bekanntlich im Schlaf ermordet“. Man könnte da frivolerweise hinzufügen: dasselbe hat Gillian im Beischlaf getan. Jedes Kapitel ist einer neuen Sexattacke der Protagonistin gewidmet und jeweils eingeleitet durch einen dialogischen Auszug aus der Radiosendung mit ihrem Partner, wo sie beide eine heuchlerische Doppelmoral zur Schau tragen.

Wäre das Buch nicht von Männern geschrieben, könnte es glatt als Mustererzählung des Postfeminismus durchgehen. So aber ist der Vorwurf rasch in Reichweite, dass bloß billige Männerphantasien mit dem Motiv des beischlafwilligen Weibes befriedigt werden. Doch greift dieser Vorwurf zu kurz, übersieht er doch, dass alle Männer für das kurze Glück eines Schäferstündchens ganz elendiglich enden: Sie sind allesamt Opfer von Gillian Blake, die ihre Sexualität nicht nur zur Steigerung ihrer Libido, sondern gezielt auch als Waffe gegen die Männer einsetzt. Insofern ist diese Gillian Blake tatsächlich das Rolemodel für die postmoderne Frau: klug, selbstbewusst, sexy, berechnend und ihrer weiblichen Reize nicht verlegen. Bedenklich scheint nur, dass dieses Frauenbild aus der dezidierten Absicht entstanden ist, schlechte Literatur zu schreiben. Aber schließlich kann all den medialen Formaten heute, die weibliches Selbstbewusstsein mit Körpereinsatz gleichsetzen, auch nicht das Prädikat 'wertvoll' verliehen werden.

PS: Im Pseudonym Penelope Ashe steckt natürlich eine höhere Ironie, da die mythologische Penelope das Sinnbild der treuen Ehefrau ist: Sie wartete und wehrte strickend die Freier ab, bis ihr Gatte Odysseus von seinen jahrelangen Irrfahrten wieder heimkehrte.