Hinter
dem Pseudonym Penelope Ashe verbirgt sich ein Autorenkollektiv von 24
Journalisten, die auf die Initiative der beiden Berufskollegen Harvey
Aronson und Mike McGrady gemeinsam den Nachweis erbringen wollten,
dass sich Schundromane besonders gut verkaufen. Deshalb schrieben sie
eine Art Fifty Shades of Grey avant la lettre: ein schlechtes
Buch mit viel Expliziterotik. Bloß ist dieser Versuch nur halbwegs
gelungen. Nicht dass der Roman kein Erfolg gewesen wäre, im
Gegenteil; nur ist er keineswegs so unterirdisch mies, sondern zeugt
– unbesehen der intendierten Trivialität – von hoher
literarischer Könnerschaft. Jedenfalls ist es nicht so, dass der
Roman (wie es am Schluss selbstbezüglich heißt) die „ganze
Literatur umgebracht“ hätte. Man merkt dem Text fast in jeder Zeile
die Intelligenz seiner Verfasser an, die sie offenbar nicht gänzlich
wegstecken konnten: Der Text besticht durch Witz, cleveres
Storytelling, psychologisch plausible Figurenzeichnung, typisch gut erfasste Charaktere, Sprach- und Situationskomik und
natürlich Pennälerhumor am Laufmeter. Trotz oder gerade wegen der
ostentativen Überbietung des guten Geschmacks offeriert der Roman
für ironisch geschulte Leser ein wahres Lektürevergnügen. Man
merkt: Die Autoren kennen den Menschen und seine niederen Beweggründe
bestens.
Im
Zentrum der Handlung steht Gillian Blake, die zusammen mit ihrem Mann
William Blake seit acht Jahren erfolgreich eine Radioshow moderiert,
in der sie beide als makelloses Vorzeigepaar figurieren. Nur leider
entdeckt Gillian eines Tages, dass William fremdgeht, worauf sie beschließt, es nicht bloß ihrem Gatten, sondern gleich der gesamten
Männerwelt heimzuzahlen, nicht ohne dabei selbst auf ihre Kosten zu
kommen. Und so zerstört sie die Ehen in der Nachbarschaft ihres
Wohnortes King's Neck, indem sie die Männer unterschiedslos der Reihe
nach verführt, vernascht und schließlich auch moralisch vernichtet.
Sie treibt es nicht nur mit jedem, sondern treibt auch jeden entweder
in den Ruin, den Wahnsinn oder in den vorzeitigen Tod. Gillian ist
mehr als nur eine Femme fatale, der die Herren der Schöpfung
bedingungslos erliegen, sie erweist sich auch als Vagina dentata, die
ihre Sexualpartner nachgerade entmannt. Den Schriftststeller, der ihr
als letztes Opfer in die Fänge geht, schreibt noch: „Macbeth
hat seinen Rivalen bekanntlich im Schlaf ermordet“. Man könnte da
frivolerweise hinzufügen: dasselbe hat Gillian im Beischlaf getan.
Jedes Kapitel ist einer neuen Sexattacke der Protagonistin gewidmet
und jeweils eingeleitet durch einen dialogischen Auszug aus der
Radiosendung mit ihrem Partner, wo sie beide eine heuchlerische
Doppelmoral zur Schau tragen.
Wäre
das Buch nicht von Männern geschrieben, könnte es glatt als
Mustererzählung des Postfeminismus durchgehen. So aber ist der
Vorwurf rasch in Reichweite, dass bloß billige Männerphantasien mit
dem Motiv des beischlafwilligen Weibes befriedigt werden. Doch greift
dieser Vorwurf zu kurz, übersieht er doch, dass alle Männer für
das kurze Glück eines Schäferstündchens ganz elendiglich enden: Sie
sind allesamt Opfer von Gillian Blake, die ihre Sexualität nicht nur
zur Steigerung ihrer Libido, sondern gezielt auch als Waffe gegen die
Männer einsetzt. Insofern ist diese Gillian Blake tatsächlich das
Rolemodel für die postmoderne Frau: klug, selbstbewusst, sexy, berechnend und
ihrer weiblichen Reize nicht verlegen. Bedenklich scheint nur, dass
dieses Frauenbild aus der dezidierten Absicht entstanden ist,
schlechte Literatur zu schreiben. Aber schließlich kann all den
medialen Formaten heute, die weibliches Selbstbewusstsein mit Körpereinsatz gleichsetzen, auch
nicht das Prädikat 'wertvoll' verliehen werden.
PS: Im Pseudonym Penelope Ashe steckt natürlich eine höhere Ironie, da die mythologische Penelope das Sinnbild der treuen Ehefrau ist: Sie wartete und wehrte strickend die Freier ab, bis ihr Gatte Odysseus von seinen jahrelangen Irrfahrten wieder heimkehrte.
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