Im Jahr 1959 plante der polnische Schriftsteller und Journalist Jerzy Giedroyc, der bis zu seinem Tod die bedeutende Exilzeitschrift Kultura herausgab, eine Anthologie mit Texten von ukrainischen Autoren, die in den 1930er Jahren Opfer des Stalinismus wurden, im Gefängnis landeten oder gar im Gulag umkamen. Als Titel wählte Giedroyc den Namen Rosstriljane widrodschennja, was auf Deutsch unterschiedlich mit 'erschossene Renaissance' (oder 'hingerichtete Wiedergeburt' bzw. 'Regeneration') übersetzt wird. Die Anthologie kam nie zustande, doch der Titel wurde zur feststehenden Bezeichnung für jene Generation ukrainischer Schriftsteller, die den kulturellen Aufbruch und ihr progressives Literaturverständnis mit dem Leben büssten.
Zu dieser Generation gehörte auch der 1985 in Charkiw geborene und 1937 in Kiew ermordete Mike Johansen, dessen Werk dank der Initiative des Münchner Staatsbibliothekars Johannes Queck erstmals im deutschen Sprachraum bekannt wird. Hier zeigt sich der zumindest kulturelle Kollateralnutzen des anhaltenden Ukraine-Kriegs: Es gelangt eine bislang weitgehend unbekannte, weil unbeachtete literarische Landschaft ins Blickfeld. Die Metapher der 'Literaturlandschaft' ist bei Johansen sogar beim Wort zu nehmen, denn wie es im vorangestellten Motto zu seinem Romans heisst, wolle er eine "Landscape-novel", einen "Landschaftsroman", schreiben.
Die Reise des gelehrten Doktor Leonardo und seiner zukünftigen Geliebten, der schönen Alceste, in die slobidische Schweiz - wie der vollständige Titel des Romans lautet - zählt Johannes Queck zu den "Schlüsselwerken der Ukrainischen Avantgarde der 1910er-1930er Jahre". Die im Titel genannten Landschaft, die slobidische Schweiz, existiert nicht wirklich; sie ist eine Phantasielandschaft, die natürlich wieder auf die Realität verweist. Gemeint ist die Region um Johansens Geburtstadt Charkiw, als 'Schweiz' wird sie (in Analogie zur Fränkischen oder Sächsischen Schweiz) deshalb bezeichnet, weil ihre Topographie an den helvetischen Kleinstaat erinnert, wie Alceste im Roman einmal begeistert ausruft:
Hier beginnt die Seenschweiz. Ich habe den Vierwaldstätter See und den Genfer See in jener Schweiz gesehen, die früher die Welt mit Portiers versorgt hat und sie heute mit Toblerone versorgt. Jene Seen sind wunderschön und weitaus größer als diese hier, das Wasser in ihnen ist klar und azurblau.
Doch unter Landschaftsroman versteht Johansen mehr als nur das Genre des nature writing. Er beabsichtigt damit, das Verhältnis herkömmlicher Erzählweisen überhaupt umzukehren. Nicht mehr das Personal, sondern die Landschaft soll die Handlung bestimmen: "Nirgends steht geschrieben, dass ein Autor eines literarischen Werkes sich dazu verpflichtet, lebendige Menschen durch dekorative Landschaften zu führen. Er kann im Gegenteil versuchen und dekorative Menschen durch lebendige und reichhaltige Szenerien zu führen." Im Resultat führt dieses Vorhaben auf eine metafiktionale Spielerei, bei der die Romanfiguren wie Pappkameraden hin- und hergeschoben werden, mitunter die Identitäten wechseln und sich vor allem auch ihres fiktionalen, unwirklichen Charakters bewusst sind.
Verschiedentlich sprechen die Romanfiguren miteinander über den Autor, als wäre er ein Gott, der ihr Schicksal lenkt, oder sie führen kurze erzähltheoretische Exkurse, wobei für sie, wie es an einer Stelle heisst "Gesetze der Handlung" so "unumstößlich und unerschütterlich" sind wie anderweitig "Naturgesetze". Tatsächlich entwickelt sich die Handlung ohne ersichtliche Motivation, vielmehr sind es äussere Ereignisse, welche den Ablauf bestimmen, und Naturwunder, wie die finale "Zaubernacht", welche das Geschehen lenken. Den Bahnhof, den die beiden Protagonisten Leonardo und Alceste von Anbeginn ansteuern, erreichen sie nie, stattdessen versinken sie am Ende im Tartaros, der sich in einem Erdwall (Prysba) auftut.
Am Schluss pafft der Schlosser Scharaban, eine mythologische Gestalt, der über die Gestirne und den Tageslauf verfügt, seine Pfeife "und durch die blauen Schriftrollen aus Rauch zeichneten sich bereits die unglaublichen Konturen der Slobidischen Schweiz ab." Mit diesem Satz endet der Roman und unterstreicht somit nochmals den fiktiven Status der Geschichte, die nichts anderes als blauer Dunst ist. Das Bild von den Schriftrollen aus Rauch verweist dabei auf eine Szene ungefähr in der Mitte des Buchs, wo ein Baumpflanzer sich aus einem Gedichtblatt eine Zigarette rollt und sie genüsslich verpafft. Auch da steigt "ein Strom bläulichen, süßlichen Rauchs" in den Himmel.
Literatur besitzt keinen Ewigkeitswert, sondern dient dem momentanen Genuss, der sich auch wieder verflüchtigt wie der Rauch einer Zigarette. Dies zumindest war die Einstellung von Mike Johansen, der die Auffassung vertrat: "Der soziale Wert der Kunst entspricht in etwa dem Wert von Eis und Schnee im Sommer und dem von heißem Tee im Winter. Die sozial produktive Funktion der Kunst ist dieselbe, wie die eines Karussells oder eines harmlosen Spiels; das Wort ist eine der Möglichkeiten, sich zu erholen."