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Montag, 3. April 2017

Mara Genschel: Cute Gedanken (2017)

Das Lesefrüchtchen ist – mit Walter Benjamin gesprochen – ein genießendes Prosawesen; mit Lyrik hat es entsprechend wenig am Hut. Aber gerade in jüngerer Zeit sind einige interessante Lyrikproduktionen erschienen, und die roughbooks sind für solche Entdeckungen stets eine gute Adresse. Hier wagt man Experimente, ohne dass der Lesegenuss flöten geht. Hier wahrt man formalen und literarischen Anspruch und vergisst trotzdem nicht den Spaß dabei. Das gilt auch für die aktuelle Nummer 042 der Reihe: Cute Gedanken von Mara Genschel. Die Autorin macht dabei von einer alten Avantgardepraxis Gebrauch: der Einbindung von Fehlern und Pannen in den kreativen Prozess. Hans Arp gestaltete zum Beispiel seine Manuskripte unleserlich, damit die Setzer beim Entziffern ihre Phantasie spielen lassen konnte. Und Dieter Roth ließ seine Scheisse-Gedichte in Providence von amerikanischen Studenten drucken, die kein Deutsch konnten und so unfreiwillig Tippfehler produzierten.

Bei Mara Genschel sind es keine amerikanischen Studenten, aber ein amerikanisches Mobiltelefon, dessen Korrekturfunktion automatisch die deutschen SMS umschrieb, so dass zuweilen ein kurioses Esperanto entstand. Vom Sprachklang her zwar immer noch verständlich, eröffnen die amerikanisierten Einsprengsel oft eine zweite Bedeutungsebene. Das beginnt schon im Titel: Hinter Cute Gedanken schwingen lautlich noch „Gute Gedanken“ mit, liest man hingegen die englische Bedeutung dazu, dann sind es auch „Niedliche Gedanken“. So differieren Wortklang und Wortbedeutung oft und erzeugen eine gewisse semantische Spannung oder Unschärfe, die manchmal nur komisch ist (weil es wie die Parodie eines heavy american accent klingt: das Lesefrüchtchen hatte bei der Lektüre irgendwie immer Shawne Fielding im Ohr), manchmal aber auch hintersinnig sein kann – wie bspw.: „Later porose Begriffe, auf Miss vers transmission erbaut.“ Manchmal gelingen sogar richtige poetische Miniaturen: „It doesn't look as crazy as you | think, sagt Mir Ruel und mein | meinen traurig verschmierten | Lippenstift I'm Gruppenbild.“

Die SMS-Form mit seiner Zeichenzahlbeschränkung erinnert zudem an das japanische Kurzgedicht Haiku. Wie dieses so ist auch Genschels SMS-Lyrik aus dem Alltag gegriffen. Sie dokumentiert ihren offenbar etwas tristen Aufenthalt als writer in residence in Iowa. ('Auweia' hat nun meine deutsche Tastatur fast daraus gemacht.)