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Sonntag, 5. Juli 2020

Fruttero & Lucentini: Der rätselhafte Sinn des Lebens (1994)

Hätte Dan Brown seine Erfolgsromane früher (bereits vor 1994) geschrieben, könnte man das Gemeinschaftswerk von Fruttero & Lucentini glatt als Parodie auf dessen Mystery-Thriller verstehen. Während Robert Langdon bei Dan Brown dem Heiligen Gral oder den Illuminaten nachjagt, geht es bei beim italienischen Krimi-Duo um nichts geringeres als um den Sinn des Lebens.

In Europa ist eine "metaphysische Krise" im Ausbruch, welche das gesamte Gesellschaftssystem lahmzulegen droht, wenn sich kein Sinn des Lebens auffinden lässt. Deshalb werden die beiden Journalisten Fruttero und Lucentini – die Autoren treten hier selbst als ‘Ermittler’ auf – frühzeitig damit beauftragt, dem Lebenssinn in einem investigativen Einsatz nachzuforschen und werden dabei von diversen Interessegruppen verfolgt und beschattet. Ihr Ziel ist Griechenland als mythologische Wiege der Menschheit. Dort hoffen sie Aufschluss über den Sinn des Lebens.

Stattdessen erleben sie auf ihrer Reise allerhand seltsame Begegnungen und Begebenheiten, allesamt in grösstmöglicher Überzeichnung. Höhepunkt ist dabei die beiläufige Abrechnung mit dem Sightseeing-Tourismus. Die Pauschalurlauber werden von ihren Führern quasi in Geisselhaft genommen und zu allerhand Extratouren gezwungen. Die drangsalierten Touristen fliehen scharenweise ins Hinterland, wo sie von ihren Guides verfolgt und wieder 'gefangen' genommen werden. Satirisch nehmen hier Fruttero & Lucentini die Zwänge und Zumutungen solcher Pauschalangebote zu unterziehen.

Die Suche nach dem Sinn des Lebens mündet schliesslich vor dem Orakel von Delphi, das natürlich längst auch kommerziell ausgeschlachtet wird. Allerdings ertragen die wenigsten Touristen das Nosce te ipsum und stürzen sich aus Schock vor so viel Selbsterkenntnis reihenweise in den Abgrund.

In Delphi treffen die beiden Journalisten zudem auf eine Sybille, die sich als Reinkarnation von Pythagoras Tochter zu erkennen gibt, ausserdem hat sie etliche Metempsychosen als Vögel durchlebt. Am Ende entpuppt sie sich als Eule der Minerva, die – Hegel zitierend – in der Dämmerung zu ihrem Flug ansetzt. So endet der Roman mit der Einsicht, dass philosophische Erkenntnis erst im Nachhinein erfolgt. So erschliesst sich auch der Sinn des Lebens erst in seinem Vollzug (und nicht durch einen orakelhaften Sinnspruch).

Die als "philosophischer Roman" deklarierte Erzählung ist eine kleine intellekturelle Farce mit viel Klamauk und einem Hang ins Groteske. Für Krimileser zu schräg, für Philosophen zu doof, aber zur Erheiterung für einen erschöpften Geist gerade richtig.