Aus
der Feder von Arthur Conan Doyle stammt neben Sherlock Holmes auch
eine Reihe weiterer literarischer Figuren, die allerdings nie
dieselbe Berühmtheit erlangt haben wie der Meisterdetektiv aus der
Baker Street 221b. Eine dieser Gestalten im Schatten des großen Ermittlers ist Professor Challenger, dem Doyle mehrere Erzählungen
widmete. Während Holmes dank seiner analytischen Schärfe die
Verbrechen und Rätsel des Alltags löst, ist Challenger für die
ganz großen Abenteuer und Menschheitsrätsel zuständig. Bereits in
der ersten Erzählung Lost World von 1912 entdeckte er eine
prähistorische Landschaft mit Urzeitwesen (was später Vorbild für
den Kassenschlager Jurassic Park) wurde, dann stieß er auf das
versunkene Atlantis und schließlich er- und überlebte er in einer
weiteren Erzählung auch das Ende der Welt.
Aufgrund
von Veränderungen in der Atmosphäre prophezeit der streitbare
Professor das baldige Ende der Welt. Zunächst wird er, auch von
seinen Fachkollegen, verlacht, doch schon bald zeigen sich
beunruhigende Symptome rund um die Welt. Die Luft wirkt wie ein
Nervengift auf die Befindlichkeit des Menschen, die enorm reizbar,
ausgelassen oder hysterisch werden – und zuletzt dann mangels
Sauerstoff versterben. Mit Ausnahme einer kleinen Gruppe rund um
Professor Challenger, der rechtzeitig zwei Sauerstofftanks
organisieren kann, um sich in seinem Häuschen vor dem Ersticken zu
retten.
Challenger
referiert seine Theorie in einem Garten-Gleichnis: So wie ein
Weinbauer seine Trauben mit Gift besprüht, um sie vor Bakterien zu
schützen, so handle auch der „Große
Gärtner“ im Universum: „Ich habe den Eindruck, daß
unser Gärtner gerade im Begriff ist, das Sonnensystem zu
desinfizieren und den menschlichen Bazillus, den sterblichen kleinen
Winzling, der sich über die Erdkruste dahinbewegt, in einem einzigen
Augenblick zu sterilisieren und auszuradieren.“ Dank Challengers
Voraussicht überleben er und seine Entourage die Katastrophe, sehen
sich dann aber mit einem vollkommenen ausgestorbenen Planeten
konfrontiert. Überall wo sie hinkommen, ist das Leben erloschen;
die Menschen liegen tot bei ihrem letzten Verrichtungen.
Die
Pointe der Geschichte ist jedoch: Das vermeintliche Massensterben
entpuppt sich bloß als weltweiter Dornröschenschlaf. Nach 28 Stunden
wacht die gesamte Bevölkerung wieder aus einer tiefen Katatonie auf
und setzt ihre Tätigkeiten fort, als sei nichts gewesen. Auch die
aus dem Märchen bekannte Ohrfeige fehlt nicht: „Das Hausmädchen
versetzt einem ihrer Schützlinge einen Klaps und schon den
Kinderwagen weiter bergauf.“ Allein Professor Challenger und seine
kleine Gruppe weiß um die verstrichene Zeit, die sonst niemandem
aufgefallen wäre. Unbemerkt hat die Menschheit einen Tag lang mit
dem Leben ausgesetzt. Und das ist für die Betroffenen ein Gedanke, der viel beunruhigender ist als ein endgültiges Ende der Welt.
Die
Geschichte endet mit einem öffentlichen Appell, die überstandene
Katastrophe als Memento Mori zu verstehen, um die eigene
Lebensführung angesichts der kosmischen Übermacht devoter zu
gestalten. Es ist vielleicht dieser moralinsaure Unterton, der die
ohnehin ziemlich platte Geschichte zu einem billigen Gleichnis
gerinnen lässt, weshalb Professor Challenger literaturhistorisch
nicht denselben Rang einnimmt wie der ungleich zynischere Sherlock
Holmes.