Lukian
von Samosata, der große Satiriker und Spötter der griechischen
Antike, schuf mit Timon den Archetypen des Misanthropen aus
enttäuschter Menschenliebe. Timon, einst ein vermögender Gutmensch,
verteilte freimütig seinen Reichtum, um Bedürftigen zu helfen,
bis er selbst vollkommen mittellos war. Doch die von ihm großzügig unterstützten Mitmenschen sind nicht willens, nun ihrerseits seine
Gunst zu erwidern. Sie wenden sich von ihm ab und wollen nichts mehr
von ihm wissen. Verbittert begibt sich Timon als Taglöhner auf die
Feldarbeit, wo er in äußerster Armut sein Leben fristet. Er zieht
sich in ein Ethos der Bedürfnislosigkeit zurück, nicht
ohne mitunter in heftigen Hasstiraden gegen das Menschengeschlecht und
die ungerechte Götterwelt zu wettern.
Mit
einer längeren Verwünschung Jupiters setzt auch die kurze,
dialogisch strukturierte Erzählung ein. Timon klagt Jupiter lauthals
an, seinem Namen als Blitzeschleuderer und Donnergott längst nicht
mehr gerecht zu werden, da auf der Welt so viel Gemeinheit geschehe,
ohne dass jemals sein „flammenzückender, allblendender,
schrecklich schmetternder Wetterstrahl“ dazwischenfahre. Jupiter
sei alt, müde und gleichgültig geworden, anders könne sich Timon
dessen Zurückhaltung nicht erklären. Durch das Geschrei wird
Jupiter tatsächlich in seiner göttlichen Ruhe aufgeschreckt, der
sich verwundert fragt, wer dieser „lumpige, schmutzige Kerl“ denn
sei: „Ein geschwätziger, dreister Bursche! Vermutlich ein
Philosoph!“
Die
Philosophen sind eine beliebte Zielscheibe von Lukians Spott, nicht
nur in dieser Erzählung, in der später mit dem Philosophen
Thraskyles ein Zerrbild dieser Spezies auftritt, der zwar Wasser
predigt – nämlich das „Lob der Besonnenheit und Mäßigkeit“
–, tatsächlich aber Wein trinkt, und zwar so maßlos viel, dass er
durch „nicht sehr anmutige Operationen seines überfüllten Magens
unterbrochen wird“. Die philosophische Lehre wird hier direkt durch
eine körperliche Reaktion widerlegt, was typisch ist für die
Technik der satirischen Entlarvung überhöhter Idealvorstellungen.
Doch im Zentrum der kurzen Geschichte steht nicht die
Philosophenschelte, sondern die durchaus ernsthafte Frage, inwiefern
Reichtum glücklich macht oder den Menschen bloß verdirbt.
Merkur,
der von Jupiter aus Mitleid entsandt wird, Timon neuen Wohlstand zu
verschaffen, erörtert diese Frage im Gespräch mit Plutus, dem Gott
des Reichtums, der sich in zynischer Offenheit auch als „Vater als
dieser Unholde“ wie „Hoffart, Unverstand, Aufgeblasenheit“ usw.
vorstellt, welche die Seele des Menschen verderben. Plutus hat
entsprechend kein Interesse an einer gerechten Verteilung des
Reichtums, ihm liegt vielmehr daran, Gier und Geiz weiterhin zu
fördern, weshalb er sich zunächst auch weigert, auf Befehl den
armen Timon zu belohnen, der längst unter dem Einfluss der Penia
und ihren Gefährten „Arbeit, Unverdrossenheit, Weisheit und
Tapferkeit“ steht und dem lästerlichen Reichtums längst abgeschworen hat.
Diese demonstrative Ablehnung reizt den korrumpierfreudigen Plutus schließlich doch. Gemeinsam mit
Merkur versucht er, Timon von seinem tugendhaften Weg abzubringen, indem er ihm einen reichgefüllten Thesaurus aufs Feld zaubert. Timon reagiert erwartungsgemäß: Wo er vormals gegen das ungerechte Schicksal wetterte, richtet sich sein Zorn nun, vergiftet durch den unerwarteten Geldsegen, gegen die Gesellschaft selbst. In einer langen Hassrede bekundet er, mit dem Geld in die Einsamkeit zu ziehen, mit niemandem zu teilen, mehr
noch der Bevölkerung die erfahrende Ungerechtigkeit mit doppelter
Münze heimzuzahlen. Er will schaden, wo er nur kann: „Denn nur auf
diese Weise werde ich ihnen wiedergeben, was ich von ihnen empfangen
habe.“ Aus dem einst altruistischen Wohltäter ist durch
Enttäuschung und verderblichen Einfluss des Geldes ein erbitterter „Menschenfeind“
geworden.