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Sonntag, 25. Juni 2017

Lukian: Timon oder der Menschenfeind (um 150)

Lukian von Samosata, der große Satiriker und Spötter der griechischen Antike, schuf mit Timon den Archetypen des Misanthropen aus enttäuschter Menschenliebe. Timon, einst ein vermögender Gutmensch, verteilte freimütig seinen Reichtum, um Bedürftigen zu helfen, bis er selbst vollkommen mittellos war. Doch die von ihm großzügig unterstützten Mitmenschen sind nicht willens, nun ihrerseits seine Gunst zu erwidern. Sie wenden sich von ihm ab und wollen nichts mehr von ihm wissen. Verbittert begibt sich Timon als Taglöhner auf die Feldarbeit, wo er in äußerster Armut sein Leben fristet. Er zieht sich in ein Ethos der Bedürfnislosigkeit zurück, nicht ohne mitunter in heftigen Hasstiraden gegen das Menschengeschlecht und die ungerechte Götterwelt zu wettern.

Mit einer längeren Verwünschung Jupiters setzt auch die kurze, dialogisch strukturierte Erzählung ein. Timon klagt Jupiter lauthals an, seinem Namen als Blitzeschleuderer und Donnergott längst nicht mehr gerecht zu werden, da auf der Welt so viel Gemeinheit geschehe, ohne dass jemals sein „flammenzückender, allblendender, schrecklich schmetternder Wetterstrahl“ dazwischenfahre. Jupiter sei alt, müde und gleichgültig geworden, anders könne sich Timon dessen Zurückhaltung nicht erklären. Durch das Geschrei wird Jupiter tatsächlich in seiner göttlichen Ruhe aufgeschreckt, der sich verwundert fragt, wer dieser „lumpige, schmutzige Kerl“ denn sei: „Ein geschwätziger, dreister Bursche! Vermutlich ein Philosoph!“

Die Philosophen sind eine beliebte Zielscheibe von Lukians Spott, nicht nur in dieser Erzählung, in der später mit dem Philosophen Thraskyles ein Zerrbild dieser Spezies auftritt, der zwar Wasser predigt – nämlich das „Lob der Besonnenheit und Mäßigkeit“ –, tatsächlich aber Wein trinkt, und zwar so maßlos viel, dass er durch „nicht sehr anmutige Operationen seines überfüllten Magens unterbrochen wird“. Die philosophische Lehre wird hier direkt durch eine körperliche Reaktion widerlegt, was typisch ist für die Technik der satirischen Entlarvung überhöhter Idealvorstellungen. Doch im Zentrum der kurzen Geschichte steht nicht die Philosophenschelte, sondern die durchaus ernsthafte Frage, inwiefern Reichtum glücklich macht oder den Menschen bloß verdirbt.

Merkur, der von Jupiter aus Mitleid entsandt wird, Timon neuen Wohlstand zu verschaffen, erörtert diese Frage im Gespräch mit Plutus, dem Gott des Reichtums, der sich in zynischer Offenheit auch als „Vater als dieser Unholde“ wie „Hoffart, Unverstand, Aufgeblasenheit“ usw. vorstellt, welche die Seele des Menschen verderben. Plutus hat entsprechend kein Interesse an einer gerechten Verteilung des Reichtums, ihm liegt vielmehr daran, Gier und Geiz weiterhin zu fördern, weshalb er sich zunächst auch weigert, auf Befehl den armen Timon zu belohnen, der längst unter dem Einfluss der Penia und ihren Gefährten „Arbeit, Unverdrossenheit, Weisheit und Tapferkeit“ steht und dem lästerlichen Reichtums längst abgeschworen hat.

Diese demonstrative Ablehnung reizt den korrumpierfreudigen Plutus schließlich doch. Gemeinsam mit Merkur versucht er, Timon von seinem tugendhaften Weg abzubringen, indem er ihm einen reichgefüllten Thesaurus aufs Feld zaubert. Timon reagiert erwartungsgemäß: Wo er vormals gegen das ungerechte Schicksal wetterte, richtet sich sein Zorn nun, vergiftet durch den unerwarteten Geldsegen, gegen die Gesellschaft selbst. In einer langen Hassrede bekundet er, mit dem Geld in die Einsamkeit zu ziehen, mit niemandem zu teilen, mehr noch der Bevölkerung die erfahrende Ungerechtigkeit mit doppelter Münze heimzuzahlen. Er will schaden, wo er nur kann: „Denn nur auf diese Weise werde ich ihnen wiedergeben, was ich von ihnen empfangen habe.“ Aus dem einst altruistischen Wohltäter ist durch Enttäuschung und verderblichen Einfluss des Geldes ein erbitterter „Menschenfeind“ geworden.