Nach Hanns Heinz Ewers greift das Lesefrüchtchen zu einem anderen Meister des gepflegten Horrors: zu H. P. Lovecraft. Im Unterschied zu Ewers, bei dem das Grauen stets lebensweltlich verankert ist, steigt es bei Lovecraft aus den Untiefen der kosmischen Vergangenheit, aus dem All oder aus übersinnlichen Sphären auf. Jedenfalls handelt es sich um ein Ding, welches das menschliche Fassungsvermögen auf vernichtende Weise übersteigt. Eine Art totales Erhabenes, das den Menschen - anders als bei Kant - nicht auf seine seelische Überlegenheit zurückwirft, sondern ihn schlichtweg zermalmt. So auch in dieser Geschichte, die der mit Lovecraft befreundete Horrorschriftsteller August Derleth auf Basis von hinterlassenen Fragmenten rekonstruiert und 1945 als Kollaboration beider Autoren publiziert hat. Die deutsche Übersetzung nennt allerdings Lovecraft als Hauptverfasser, obschon ausschliesslich die Idee von ihm stammt, der quantitativ überwiegende Teil des Textes jedoch von Derleth ausgeführt wurde. Leider, wie man feststellen muss.
Passenderweise präsentiert sich die Erzählung selbst als Rekonstruktion aus verschiedenen hinterlassenen Aufzeichnungen, die schachtelartig die entsetzlichen Ereignisse aus der Perspektive von drei verschiedenen Personen schildern. Die Entstehungsbegingen sind somit als fiktionale Rahmung mit in den Text eingeflossen. Das soll der Geschichte einerseits eine Pseudoauthentizität verleihen, andererseits erweist sie sich mit der obsessiven Beschäftigung alter Schriften und Bücher auch als reine Bibliotheksphantastik. Es handelt sich im Kern um die Recherche und den Vorstoss in eine uralte Mysterien, die man besser hätte ruhen lassen sollen. Ambrose Deward, ein Spross der Familie der Billingtons zieht in das abgelegene Landhaus seiner Vorfahren in den düstern Wäldern nördlich der fiktiven Stadt Arkham in Massachusetts ein und trifft dort nicht nur merkwürdige Gerüchte über das dubiose Treiben seiner Ahnen an - die Rede ist von seltsamen Geräuschen aus dem Wald und zerquetschte Leichen -, sondern er findet auch rätselhafte Aufzeichnungen, auf die er sich primär keinen Reim machen kann. Mehr und mehr wird Deward von der düstern Atmosphäre des Hauses eingenommen, so dass er seinen Cousin zu Hilfe ruft. Dieser findet ihn aber in einem schizophrenen Zustand wieder, der zwischen Hilflosigkeit und Böswilligkeit changiert. Auch wiederholen sich die Ereignisse, die seltsamen Geräusche sind wieder hörbar und neue zermalmte Leichname werden aufgefunden. Der Cousin geht der Vergangenheit des Hauses und des im Wald befindlichen Steinturmes weiter nach und konsultiert deswegen einen Spezialisten namens Dr. Lapham, der ihm schliesslich das schreckliche Geheimnis offenbart, das sich mit Billingtons Anwesen verbindet.
Wie immer bei Lovecraft sind es vorzeitliche, monströse Gottheiten, die "Grossen Alten" genannt, die lange vor der Menschheit, in prähumanen Dimensionen, existierten und periodisch wiederkehren, um die Menschen zu unterjochen, sobald sie rituell angerufen werden. In diesem Fall war es der alte Billington, der zusammen mit einem Priester und einem Indianer, im Steinturm den "grauenhaften Aussenweltlern" ein irdisches Einfallstor geschaffen hatte. Dort öffnete sich periodisch die Türe, damit die Unwesen aus einer Art ausserweltlichem Limbo, einem zeit- und ortlosen "Draussen", in die Lebenswelt eindringen konnten. Darauf bezieht sich der Titel "Das Grauen vor der Tür". Dort, an der Schwelle, lauern die kosmischen Monstren, nur erpicht darauf, die Macht wieder an sich zu reissen. Alle Versatzstücke dieser "grotesken und schrecklichen Mythologie" von dem oktopoiden Cthullu in der versunkenen Stadt R'Leyh bis zum Necronomicon aus der Feder des Arabers Abdul Alhazred, die Lovecraft systematisch entwickelte, werden am Ende des Romans von einem Dr. Lapham in aller Länge und Breite vordoziert, was dem Roman nicht nur einen läppisch didaktischen Charakter verleiht, sondern für eingefleischte Lovecraft-Fans überdies alles andere als überraschend sein dürfte. Der Spannung ist dies mehr als nur abträglich, da von Anbeginn klar ist, welches 'Rätsel' da gelüftet werden soll. Zu allem Überfluss werden alle Lösungsschritte in ermüdender Redundanz vorgetragen.
Auch an den irrsinnigen Sprachexzessen Lovecrafts mangelt es der eher spröden Diktion Derleths weitgehend, um die phantastische Aussenwelt in all ihren unbegreiflichen Schrecken wirklich plastisch zu gestalten. Hierin zeigt sich auch das wahre Genie von Lovecraft: Nicht auf der Ebene des Plots oder der Geschichte, sondern in der opulenten Sprachmacht, wie er die ewig gleichen Phantasien in stets berauschend neue Worte fassen konnte.