Dieser
späte Roman des italienischen Neoavangaurdista Luigi Malerba erzählt
Odysseus Rückkehr aus Ithaka alternierend aus der Perspektive
Odysseus und seiner Gemahlin Penelope, die zwanzig Jahre auf diesen
Moment wartete, während sie die Freier, die es auf Odysseus Thron
abgesehen hatten, in Schach halten musste, indem sie – wie es im
Mythos heißt – bei Nacht wieder auftrennte, was sie bei Tag wob.
Sie gab vor, erst das Totentuch für ihren Schwiegervater Laertes
weben zu müssen, bevor sie eine neue Bindung eingehen könne. Doch
diese Masche ist über die Jahre längst durchsichtig geworden.
Malerba
erzählt keine Geschichte der glücklichen Heimkehr, sondern der
zunehmenden Entfremdung eines Liebespaars, das zu lange getrennt
gewesen ist. Misstrauen, Argwohn, Enttäuschung und Bitterkeit
erfassen wie schleichendes Gift beide Herzen, die sich eigentlich nichts sehnsüchtiger
gewünscht haben als ihre Zusammenkunft. Penelope ist misstrauisch,
weil Odysseus als Bettler verkleidet vor sie tritt, um die Freier zu
überlisten. Odysseus wiederum ist enttäuscht, weil sie keine
Reaktion zeigt, als er ihr in Gestalt des Bettlers Nachrichten
über sich selbst überbringt.
Der
fortlaufende Perspektivwechsel zwischen Odysseus und Penelopes
Wahrnehmung erlaubt es Schritt für Schritt nachzuverfolgen, wie sich
die beiden Protagonisten gegenseitig immer weiter in
Missverständnisse und Fehleinschätzungen verstricken, die schließlich darin gipfeln, dass Penelope Odysseus selbst dann noch
als Bettler behandelt, als er sich längst in seiner wahren Gestalt
gezeigt und sich - unter Beweis seiner Identität - an den Freiern gerächt hat. Doch Penelopes verletzte Ehre ist zu groß, als dass sie ihm
auf die Schnelle verzeihen könnte. Vor allem aber ist sie nachhaltig
entsetzt, als sie mitansehen musste, wie Odysseus die Freier der Reihe nach abschlachtete und sich vor ihren Augen vom geliebten Menschen zur grausamen Bestie wandelte.
Das ist in ihrer Schonungslosigkeit - das Blut fließt wie im besten Splatterfilm literweise - zugleich auch eine der stärksten Stellen des Romans.
Angeregt
zu dieser Nacherzählung des alten Mythenstoffes wurde Malerba
offenbar duch seine Frau, die in einem Gespräch über die Odyssee
sagte, es sei doch höchst unglaubwürdig, dass Argos, der Hund, Odysseus
erkannt haben soll, seine ihm über Jahre treu gewesene Ehefrau aber
nicht. Das könne allein damit erklärt werden, dass Penelope bloß so tat, als würde sie ihn nicht erkennen, in Tat und Wahrheit die
Verkleidung aber von Anbeginn durchschaut hatte. Auch weil sie den
Hang ihres Mannes zur List und zur Lüge kennt. Eine Pointe des
Romans ist es denn auch, dass Odysseus selbst der Verfasser der
Odyssee sei, worin er seine Heldentaten mit viel Phantasie
ausgeschmückt habe. Damit wäre auch die ewige Streitfrage der
Philologen über Homers Identität endlich geklärt.
Schließlich erkennt sich das Liebespaar aber wieder. Odysseus gelobt, nie mehr von Ithaka,
seinem Heim und Herd, wegzugehen und will zum Zeichen seines Ernstes,
fortan keinen Schuh mehr anziehen. So gibt es zu guter Letzt doch noch ein Happy End, was im klassischen Mythos nicht immer so war. Der große Heros der Odyssee wird zum Pantoffelhelden, zum
„König Ohneschuh“. - So erklärt sich auch der deutsche Titel des Romans. Im italienischen Original lautet der Titel Itaca per sempre (Für immer Ithaka), was viel poetischer und leichtfüssiger klingt als der holzschuhartige Versuch auf Deutsch.
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