George Tabori, ursprünglich aus Ungarn stammender Drehbuchautor, Dramatiker, Übersetzer, Schriftsteller und Schauspieler, arbeitete mit Bert Brecht und Alfred Hitchcock zusammen und schrieb am Wiener Burgtheater sowie am Berliner Ensemble Theatergeschichte - eine Koryphäe, ja fast schon eine Legende des Nachkriegstheaters. Er gehört zu jenen Gestalten, die den Holocaust hautnah miterlebt haben - Taboris Vater ist in Auschwitz gestorben, er selbst konnte sich durch einen vorgetäuschten Selbstmord unter dem Decknamen George Turner in die britische Armee einschleusen -, sich davon aber nicht abschrecken oder in die Knie zwingen liessen, sondern erst recht ihre kreative Lebensenergie daraus zogen. Ein bekanntes Bonmot von Tabori ist die Frage, welches der kürzeste Witz sei. Die Antwort: Auschwitz. Diese durch nichts zu erschütternde Schwarzhumorigkeit fliesst auch ungefiltert in Taboris literarische Prosa ein, speziell auch in diesen "Roman eines Stadtneurotikers", wie es in der deutschen Übersetzung im Untertitel heisst.
Stadtneurotiker, bei diesem Wort denkt man sofort an Woody Allen. Und diesen Vergleich kann man durchaus ziehen, wenngleich Taboris Protagonist die Figuren aus Allens Filmen bei Weitem übersteigt. Das Fahrige, Nervöse und Konfuse weicht bei Tabori einer zynischen Gesellschaftsanalyse und einem ätzenden Sarkasmus. Ein richtiger "Son of a bitch" eben. So nennt sich der Protagonist selbst mit der Begrünung, Schmerzen machen einen "ganz bösartig, zum son of a bitch" - und er wird auch von anderen so bezeichnet. Es handelt sich um Arthur, einen New Yorker Lebensversicherungsagent für die Upper Class, der ironischerweise aber selbst an einer Krankheit laboriert, was er sich um keinen Preis anmerken lassen will, um nicht unglaubwürdig zu wirken. Doch seine Schmerzen nehmen fortlaufend zu, auch wenn er es verleugnen will - vor sich und erst recht vor seiner Umgebung. Längst schon ist die Epoche "V.S., Vor meinen Schmerzen" passé.
Ein gesellschaftssatirisches Glanzstück, in dem Prestigedenken, Machtgebaren und Dekadenz herrlich seziert werden, bildet das Diner bei einem Klienten, mit dem er es keinesfalls verderben will, weshalb er alles daran setzt, dass der Abend gut - und dass heisst zur Zufriedenheit des Gastgebers - über die Bühne geht. Arthur motiviert seine Frau nicht nur dazu, ihre "Titten" vorteilhaft im Dekolleté zu richten, er zwingt sich selbst sogar trotz heftiger Schmerzen das Essen herunterzuwürgen, obschon im bereits ein "Stück harter Kot" die Speiseröhre hinaufkriecht. Allein aus Angst den Gastgeber, der sich als wahrer Egozentriker und Sadist herausstellt, zu verstimmen, was auch beinahe geschieht, als Arthur zunächst dankend seine Portion ablehnt. Wie er dann aber schwitzend an seinem monströsen Beefsteak kaut und vor dem geistigen Auge all die Dinge durchrechnet, wie ein Strandhäuschen in Easthampton, die er sich dank seinem Kunden leisten kann, ist von schneidender Komik.
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