Der Kurzroman handelt davon wie der Buchhandlungsgehilfen Johannes Lips in den
Wahnsinn schlittert. Lips wird als Figur am Rande der Zeit und
Gesellschaft vorgeführt, der sich vor allem mit Büchern umgibt,
weshalb er von verschiedenen Seiten gemahnt wird, es mit dem Lesen
nicht zu übertreiben. Es gab einmal einen Junker aus La Mancha, der ebenfalls durch übermäßiges Lesen den Verstand verloren hat. Tatsächlich ist Lips aber nachgerade eine
papierne Existenz: ein Buch in Person, das aus lauter Zitaten
besteht.
Da er sich ganz in seiner Gedankenwelt verliert, fühlt er
sich länger je mehr von seinen „Gedankenvögeln“ bedroht. Vogt
spielt an verschiedenen Stellen mit der umgangssprachlichen
Redewendung „einen Vogel haben“ für den Zustand der
Verrücktheit. Lips besitzt aber tatsächlich einen echten
ausgestopften Vogel, der auf seinem Schreibtisch steht und ihn mit
seinen Glasaugen anstarrt. (Und offenbar auch Schuldgefühle weckt,
weil er dem Vogel früher mit seinen Schulkameraden den Kopf
umgedreht hat.) Sinnigerweise handelt es sich um einen Seidenschwanz,
der auch als „Sterbevogel“ bekannt sei: „Wer ihn sieht, muß
sterben.“
Dieser Vogel kündet als steinerner Gast gewissermaßen bereits Lips Schicksal an, der sich von allen Vögeln
des Naturhistorischen Museum verfolgt fühlend in der Aare ertränken
will, aber gerettet wird und im Glauben, er sei der heilige Franziskus, ins Irrenhaus kommt, wo er nach einer Elektroschocktherapie -
„vrdammggfäärlich – abrvrdammt humaan“ - wieder entlassen
wird, sich darauf aber in der Dusche entleibt. Auch dieser Ort ist
symbolisch, weil Lips unter einem permanenten Waschzwang leidet.
Schauplatz ist Bern, weshalb zahlreiche Einsprengsel in Dialekt
vorkommen. Obwohl es sich um eine Erzählung mit tragischem Ende
handelt, bleibt der Tonfall eher humoristisch bis grotesk. Zudem
wechselt die Erzählstimme von einer auktorialen in eine
Ich-Perspektive, womit vermutlich die schizoide Spaltung narrativ
verdeutlicht werden soll. Auch temporal vollzieht die Erzählung eine
Schlaufe, insofern der Rutsch in den Wahnsinn als Binnengeschichte
erzählt wird, gerahmt vom Irrenhaus-Aufenthalt. Vielleicht handelt
es sich auch nur um eine Rückerinnerung, des erzählenden Ich.
Speziell hervorzuheben ist außerdem die doppelte Mise-en-abyme, als Lips in
der Auslage seiner Buchhandlung ein Buch mit demselben Titel „Ein
Vogel auf dem Tisch“ im selben Verlag (Lukianos Verlag von Hans
Erpf) und derselben Geschichte entdeckt und die Verkäuferin zudem
exakt die Stelle im Buch lobt, die davon handelt, wie Lips das Buch
über sich selbst entdeckt.
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